Dr. Sieglinde Stähle, Wissenschaftliche Leitung im Lebensmittelverband e. V. (ehemals BLL e. V.), ist Diplom-Lebensmittelingenieurin und seit 1990 zuständig für die Bereiche Lebensmittelhygiene, Lebensmittelkontaktmaterial und -verpackungen sowie Standardisierungen. Zugleich erschloss sie für den Verband durch Weiterbildung das Thema Qualitätsmanagement, weshalb dieser heute auch die Normung in der Branche mit begleitet. Im Interview mit der IK spricht Dr. Sieglinde Stähle über die Rolle von Bisphenol A (BPA) im Lebensmittelkontakt, die entsprechende EU-Verordnung und die Herausforderungen für die Branche.
Die zulässige Menge von BPA im Lebensmittelkontakt ist mit der aktuellen EU-Verordnung (EU) 2024/3190 neu geregelt. Sie legt eine tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (TDI) für BPA auf 0,2 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag fest. Basis war unter anderem die Konsultation mit der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), die die Menge im Jahr 2025 selbst mit 4 Mikrogramm bewertete. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) plädiert für 200 Nanogramm.Auch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) vertritt, wie das BfR, eine andere Auffassung zur verwendeten Methodik. Wie lassen sich diese enormen Abweichungen erklären?
Das Thema BPA im Lebensmittelkontakt war in den vergangenen Jahren immer wieder Gegenstand des öffentlichen und politischen Diskurses. Die Europäische Kommission hat 2024 eine Verordnung für ein Verbot der absichtlichen Verwendung von BPA zur Herstellung von Lebensmittelbedarfsgegenständen erlassen.
Wie ordnen Sie die neue Regulatorik aus Sicht Ihrer Branche ein – ist sie gerechtfertigt?

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Über den Lebensmittelverband Deutschland:
Der Lebensmittelverband Deutschland ist der Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft. Er vereint Verbände und Unternehmen der gesamten Lebensmittelketteaus Landwirtschaft, Handwerk, Industrie, Handel und Gastronomie.
Welche Bedeutung hat die Verordnung für Lebensmittelhersteller?
Zum Teil müssen Produktionsanlagen mit BPA-haltigen Bauteilen umgerüstet und alternative Materialien gefunden werden. Das bedeutet höhere Kosten, Aufwände und natürlich auch Unsicherheiten. Die Verordnung betrifft etwa Epoxidharz-basierte Innenbeschichtungen, für die es aber Alternativmaterialien gibt. Auch mit den Polycarbonatgebinden beispielsweise auf Wasserspendern haben wir ein Problem. Sie müssen jetzt ausgetauscht werden und im Moment gibt es keine wirkliche gute Alternative. Jede Ersatzsubstanz muss dafür sorgen, dass das Ergebnis, also der Werkstoff, die Verpackung, ihre besondere Funktionalität behält. Anders ist der Fall bei Membranen zur Flüssigkeitsaufbereitung wie der Entalkoholisierung von Bier - hier hat es eine Ausnahme gegeben. Ebenfalls anders ist die Situation bei Gießformen, die beispielsweise in der Süßwarenindustrie für Schokoladentafeln, Gummibärchen oder im Konditorenhandwerk genutzt werden. Bisher haben wir hier keine Alternative gefunden. Wir befinden uns immer noch in einem Prozess, der unter starkem Zeitdruck stattfindet und viel Geld kostet. Insgesamt haben die Verantwortlichen bei der Ausgestaltung der Verordnung wichtige Fragen, wie Kontaktzeiten und Migrationsrisiko, nicht berücksichtigt. Stattdessen liegt nun eine Fassung vor, in der fast jedes Lebensmittelkontaktmaterial gleich behandelt wird.
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„Wenn Neuware preislich unter hochwertigem Rezyklat liegt, verhindert das die sinnvolle Nutzung unseres Rohstoffs.“




